Schweben in 5000m Höhe

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Am 15 Februar - eigentlich also mitten in der Winterbausaison, wenn alle vom Fliegen nur träumen - stellte sich eine Wetterlage ein, die Leewellen hinter dem Harz erwarten ließ. Das sind Aufwinde hinter Gebirgen, die weit über das eigentlich auslösende Hindernis reichen, so daß Flughöhen erreichbar sind, die thermisch in Deutschland nicht vorkommen. Martin hat das nicht auf dem Sofa ruhig sitzenlassen. Über seinen Flug in der Harzwelle hat er einen mitreißenden Bericht samt Film verfaßt.

Sicherlich ist Euch dieses Bild von der Diashow auf der Startseite schon einmal untergekommen

Entstanden ist es Ende 2011 beim Hangfliegen am Ith. Es war ein ziemlich stürmischer Tag und ein paar Lenticulariswolken waren auch in Richtung Süntel zu sehen. Die ersten starteten und meinten etwas von 45km/h Wind. Als ich dann an der Reihe war, konnte ich mich gut im Hangwind halten und flog, kontinuierlich steigend, Richtung Ithwiesen. Erstaunlicherweise stieg es vor den Ithwiesen weiter, so daß ich über die am Ith stehenden kleinen Cumuli klettern konnte. Darüber ging es mit einem Meter weiter bis ca. 1300m. Mehr zufällig war ich in eine kleine Welle gestolpert, ausgelöst wohl von dem Hügel vom Flugplatz Ithwiesen Richtung Weser gesehen. Da war das Gefühl, einfach fast schwerelos in der völlig ruhigen Luft über den Wolken zu hängen, schon etwas zu erahnen.

Daraufhin hatte ich den Plan gefaßt, das mit dem Wellefliegen auch mal "richtig" anzugehen. Flugs meldete ich mich bei www.schwerewelle.de im Mailverteiler an, um die Neuigkeiten und Wellenalarme von Erland Lorenzen zu bekommen. Glücklicherweise haben wir ja hier eine Wellenflugzone im Harz quasi fast "vor der Haustür", die sich doch nutzen lassen sollte, waren von dort ja schon hohe Wellenflüge aus der Vergangenheit berichtet worden. Doch so schnell sollte es nicht gehen. Meist war dann doch irgendetwas, das das Abenteuer vermasselte. Seien es Termine am Wochenende, Wellenlagen unter der Woche, mangelnde Flugzeuge oder bisweilen auch die eigene Courage, es fand halt nicht statt.

Diesen Winter sollte es anders werden. Die SZD-59 war einsatzbereit für Abenteuer, damit war schon einmal ein Fakt sicher. Eine Sauerstoffanlage hatte ich mir inzwischen auch für den Frankreichurlaub organisiert, damit stand auch dem Fliegen in großen Höhen nicht mehr die Gefahr im Weg, die Stromversorgung des Großhirns einzubüßen. Dann kam der 09.02.2014. Die Windvorhersage hatte ich beobachtet, die Wolkenvorhersage sah auch blendend aus, nur leider war es da die schon angesprochene eigene Courage, die dann, unterstützt durch Unkenrufe einiger Vereinsmitglieder, eher zum ausgedehnten Frühstück am Sonntag als zum Wellenfliegen führte. Etwas frustriert gestand ich mir den Fehler beim Studium der Satellitenbilder am Mittag ein. Geflogene 6000m, am Abend im OLC niedergelegt, bestätigten, es beim nächsten Mal einfach zu machen, auch auf das Risiko, daß es eben schiefgeht. Also auf die nächste Wellenlage hoffen...

Mitte der Woche kam dann die Mail von Erland:

"Am 13., 14. und 15.02., sowie nach einer kurzen Pause am 18. und 19.02. wird es auf der Vorderseite von kräftigen Tiefdruckgebieten über Großbritannien und der Nordsee wieder zur Ausbildung von kräftigen Leewellen in NW-Deutschland, einschließlich Harz, Kasseler Bergland und Thüringer Wald kommen.

Wellenhöhen zwischen 3000 und 5000 m. Teilweise sehr starke Windgeschwindigkeiten aus SW, zeitweise SSW, mit kräftigen Turbulenzen."

War das nicht das, was man hören wollte? Der 15.02. ist Samstag, da ist das Wellenfenster am Harz bis FL200 verfügbar. Nach einem kurzen Telefonat mit den Segelfliegern in Aschersleben, die mir die Startmöglichkeit offerierten, wurde noch einmal das Wetter überprüft. Die Windvorhersage paßt. Angesagt waren zwischen 60km/h bis über 100km/h in 5000m, da sollte doch was schwingen.

Die Vertikalwindvorhersage vom RASP sah das genauso:

Deutlich ausgeprägte Steiggebiete hinter dem Thüringer Wald und dem Harz

Na das stimmt doch euphorisch, zumal der DWD es ähnlich gerechnet hat. Dann noch kurz in die Wolkenvorhersage geschaut, sieht so aus, als wäre Platz da oben. 

Also wurde am Freitag Abend schon alles vorbereitet. Sauerstoffanlage in 6B einbauen, noch etwas Kabelage für die Bordstromversorgung des Sauerstoffgerätes (es hat zwar eine Batterie, aber mit Redundanz ist mir das dann doch lieber ;-) verlegen, Flugzeug nach Braunschweig ziehen, Akkus von Fotoapparat, PNA und Kamera laden, Wellenfluggebiet in der ICAO Karte verewigen usw. usw. usw. - es dauerte doch, bis alles erledigt war. Eine Einschlafzeit konnte ich dann nicht mehr feststellen.

Dafür spürte ich den Wecker am nächsten Morgen umso intensiver. Samstag Morgen um 0600 - es war noch stockduster - war die Nacht zu Ende. Kurz frühstücken, einen Kaffee in den Hals gießen, alles ins Auto werfen, Anhänger auf den Haken und es geht los Richtung Harz. Auf der A395 kurz vor Vienenburg waren dann auf der linken Seite schon so etwas zerfetzte Cumuli zu entdecken: Rotorwolken. Es scheint also Musik in der Atmosphäre zu sein.

 

Rotorwölkchen bei Vienenburg

Etwas weiter auf der B6N zeigten sich dann auch ein paar flache Lenticularis nördlich der Straße.

Ein paar flache Lentis auch weiter östlich, das läßt hoffen

Auf dem Flugplatz in Aschersleben fanden sich dann noch vier andere wellenfluggeile Segelflieger ein. Man unterhielt sich kurz und die Flugzeuge wurden zusammengesteckt. Die Wilga machte auch schon mit ihrem unverkennbaren Sternmotorgeräusch auf sich auferksam, daß es bald losgehen konnte. Also verließen eine DG-800 mit eigenem Rattel und dann noch eine ASW-24 an der Wilga die Piste Richtung Ballenstedt. Als ich dann als nächstes hinter der Wilga hing, sah es eher nicht nach Welle aus. Kein Rotorwölkchen zu sehen und auch der Lenti hatte sich über unseren Köpfen verzogen. Hmmm... Banges Suchen, steigts hier? Nö. Doch, der Varioton wird heller - und schon wieder weg. Wie ich es auch drehe und wende, die Höhe wird nicht mehr, ich kann nur das Absaufen verzögern. Verdrossen sortiere ich mich in die Platzrunde und lande. Mist. Sollte das jetzt wirklich alles fürs Gesäß sein?!

Was war schiefgegangen? Ok, es ist mein erster Wellenflug, wahrscheinlich hab ich mich nur zu dappert angestellt. Doch da die DG im Funk meinte, auch noch einmal ratteln zu müssen und auch die 24 ihre liebe Mühe hatte, schien es wohl echt nicht einfach zu sein. Also hab ich mich dann nach den anderen beiden Flugzeugen noch einmal per F(inanz)-Schlepp hochziehen lassen - Fragt nicht ;-)

Kommen wir nun zum angenehmen Teil des Tages. Inzwischen waren auch die Rotorwölkchen wieder da und die Wilga positionierte mich genau luvseitig. Ausgeklinkt, und sachtes Piepsen des Vario ließ jetzt hoffen. So ging es dann fast bis Halberstadt weiter, nur nahezu ohne Höhengewinn, aber auch ohne Verlust. Nach einiger Zeit gelang es dann, ein verläßliches Steiggebiet bei Quedlinburg auszumachen. Die Herausforderung dabei besteht darin, sich vom Wind nicht aus dem Steigen herausschieben zu lassen - was sich bei ca. 80km/h einfacher anhört, als es in Realität ist. Da muß man sich erst einmal daran gewöhnen.

Suchen nach Steiggebieten bei den Rotorwölkchen

Kaum macht man es richtig, schon gehts. Diese triviale Wahrheit gilt auch beim Wellenfliegen. Ist das Steiggebiet einmal lokalisiert und man kann sich drin halten, geht es zunächst langsam, aber sicher nach oben. So werden aus den anfänglich 1500m bei den Rotorwolken bald 2500m und das Steigen nimmt von 0,8m/s auf etwas mehr als 1m/s zu.

Wunderschöner Ausblick auf Rotorcumulus und Lenticulariswolke

Auch der Lenti ziegt sich jetzt von seiner schönen Seite. Offenbar hat sich die Welle hier gerade richtig schön eingeschwungen. Mit der Höhe wird auch der Wind zunehmend mehr und mit dem Weg auf die 3000m schalte ich jetzt auch die Sauerstoffversorgung ein. Nur mit genug Sauerstoffsättigung im Blut läßt sich die Schönheit des Fluges auch richtig genießen.

Und es steigt weiter, 3500m, jetzt geht es mit teilweise bis 2m/s hoch. Zeit für eine Schnitte mit einem Stückchen Salami, der Magen hat auch vor Stunden bereits das letzte Mal etwas bekommen... Und bei der zunehmenden Kälte ist Brennstoff immer gut. Auch die Unterseite des Lenticularis kommt langsam näher.

Langsam taste ich mich nun gegen den Wind vor, vielleicht besteht ja die Möglichkeit, am Lenti vorbeizusteigen. Wenn nicht, wäre hier bald Schluß und Wolkenflug muß nun wirklich nicht sein. Gegen den starken Wind muß der Knüppel schon weit vor, aber ich schaffe es, luvseitig in die Föhnlücke zu kommen. Ja, es steigt noch und ich kann der Lenticulariswolke zusehen, wie sie langsam nach unten verschwindet. 3800m, geschafft, ich bin vorbei.

3800m, geschafft... ich bin über der Lenticulariswolke

Doch es steigt weiter und über den Wolken ist jetzt erstens eine wunderbare Fernsicht und zweitens alles frei. Na mal sehen, wie weit es noch geht. Der Wind hat jetzt über 100km/h erreicht und ich steige quasi wie in einem Fahrstuhl auf der Stelle. Das ist schon ein eigenartiges Gefühl... 4000m, es steigt weiter, 4500m und immer noch, aber jetzt wird es langsam schwächer. Noch dazu ist auf der sonnenabgewandten Seite der Haube auch inzwischen etwas Reif innen niedergeschlagen. 

 

Gipfelhöhe, fast 1000m über dem Lenti

Der Höhenmesser zeigt jetzt etwas um die 4800m an, Wahnsinn... Das ist mein bisheriger persönlicher Höhenrekord, und das sofort beim ersten Versuch. Am Abend offenbart die OLC Meldung, daß es nach GPS sogar über 4900m gewesen sein müssen. Ein Hammerwind ist in der Höhe, jetzt bestimmt 110-120km/h und etwas frisch ist es auch an den Füßen geworden. Da hat die Vorhersage absolut gestimmt.

In diesen Höhen zu schweben mit dem Blick über den Wolken, wie es sonst nur aus dem Schlüssellochfensterchen eines Airliners möglich ist, hat schon etwas meditatives an sich. Eigentlich möchte man immer hier oben bleiben, so fernab von allem.

Wirklich "ganz oben": Grandioser Blick zu den Wolken Richtung Harz

Doch auch dieser Flug muß irgendwann enden. Obwohl es selbst "ganz oben" noch steigt und die Freigabe des Wellenfensters bis FL200 reicht, was ca. 6000m entspricht, kommt langsam aber sicher eine Dunstschicht über den Harz gezogen, die sich anschickt, die Föhnlücke dichtzumachen. Hatte ich die Wolkenflugabneigung schon erwähnt? Zumindest - auch wenn es mir wirklich schwer fiel, mich von der Aussicht zu trennen - war jetzt der beste Zeitpunkt, sich wieder zu verdünnisieren, bevor die Lücke zu ist. Also Bremsklappen raus und 1,6kWh Energie bzw. mehr als 1500m Höhe in die Atmosphäre entlassen. Es dauert erstens seine Zeit und was hätte man damit nicht alles anstellen können... das hätte fast zweimal für meine Kür gereicht :-( aber so ist das eben.

Wieder unter der Lenticulariswolke angekommen, erwartet mich dann nur noch eine fahl erscheinende Wintersonne, als ob sie wüßte, daß der Flug und der Tag bald enden.

Nur eine fahle Sonne steht noch hinter den dichter werdenden Wolken

Ich drehe noch einige Runden in der immer noch vorhandenen Welle. Leider machen die hereinziehenden Schichtwolken wirklich das Tor nach oben dicht, so daß ich den Gedanken, vielleicht doch noch einmal hochzuklettern, verwerfen muß. Der erste der mit in Aschersleben gestarteten Flieger meldet bereits die Platzrunde und auch ich beschließe, jetzt bald die Heimreise anzutreten. Abgleiten ist im Steigen der Welle erstens immer noch nicht drin und würde selbst in ruhiger Luft aus 3500m Höhe noch sehr lange dauern. Also übe ich slippen mit 6B - zumal der kleine Zeiger der Uhr sich kontinuierlich auf die vier bewegt...

Kurze Zeit später hat mich die Erde wohlbehalten wieder und auch die anderen landen in kurzer Folge. Jetzt noch die Flugzeuge in den Anhängern verstaut, einen kleinen Plausch über den Tag gehalten und dann treten alle zufrieden grinsend die Heimreise an.

Heimreise, und die Wolken stehen immer noch über dem Harz...

Wieder in Braunschweig angekommen falle ich zufrieden, erschöpft, aber völlig überwältigt von den Eindrücken ins Bett. Erst danach beim Betrachten der Bilder auf dem PC und dem inneren Auge tags darauf kann ich das Ganze fassen und stelle fest, daß die Bilder nicht im Ansatz die Stimmung, die Perspektive und die Dynamik abbilden können, die die Aussicht bietet.

Fest steht eins, das wird nicht das letzte Mal in der Welle gewesen sein. Danke an Erland für die Alarmmails und an die Ascherslebener sowie die DFS für die Freigabe des Wellenfensters.

Eine kleine Kamera hatte ich auch dabei. Aus den Aufnahmen hab ich natürlich noch ein kleines Filmchen zusammengestellt - der Wellenflug in 5 Minuten in bewegten Bildern.