30.07.: Reinsdorf-Wilsche

Geschrieben von Webmaster am .

Irgendwann um kurz vor neun klingelt der Wecker. Es ist Zeit, alles zusammenzupacken und für ein Frühstück. Das gönne ich mir auch in der Flugplatzgaststätte in Reinsdorf. Ein starker Kaffee bringt die Neuronen wieder auf Taktfrequenz. Entsprechend des gestrigen Gewirtterregens ist die Luft sacknass und warm, aber es ist ein wenig Thermik angesagt, wenn auch mit ordentlich Wind aus West verbunden. Genau gegen den muss ich mich vorkämpfen, wenn ich nach Hause nach Wilsche kommen möchte. Weitere Ambitionen legen die Wettervorhersagen allphasig hart an Masse: Die kommende Woche wird im Wesentlichen eins bereithalten: Wind, Regen und tiefe Wolken. Das ist nichts, wo man VFR herumfliegen möchte, von Segelflug gar nicht zu reden. Also wohne ich kurz dem Briefing der Reinsdorfer bei, verbringe 20min damit, die nassgeregnete Stemme trockenzulegen, räume meine Habseligkeiten in das Flugzeug und warte auf die Thermik. Wie auch die letzten Tage besteht das Spiel darin, dass Thermik zum Losfliegen vorhanden sein muss, aber man darf auch nicht zu lang warten, da schon wieder das nächste Schlechtwettergebiet heranzieht. Kurz nach 11 wird es laut auf dem Platz und ich brumme los.

Matschige Thermik bis ca. 1300m

Entsprechend der extremen Feuchte überrascht es nicht, dass sich die Thermik äußerst matschig und suppig anfühlt. Ich bekomme kaum mehr als einen Meter anfangs herausgequetscht und die Bedeckung ist nicht ohne. Zudem schiebt einen der Wind immer wieder weg vom Ziel. Mühsam geht es dennoch voran und ab und an mal zeigt sich auch ein Bart mit einer 2 vor dem Komma auf dem Integrator. So geht die Reise bis etwa nördlich von Magdeburg. Währenddessen sieht man schon deutlich, wie von Süden die Abschirmung der nächsten Front reinkommt und ich bin froh, gleich früh losgezogen zu sein.

Blick nach Süden: Mehr Stratus als Cumulus, was da kommt. Nichts wie weiter...

Etwas weiter westlich kann ich dann die Elbe kreuzen. Kurz zuvor habe ich mich, während die Abschirmung bereits über mir stand, noch einmal bis auf etwas über 1300m hocharbeiten können. Das reicht über die Elbe bis in die Letzlinger Heide.

Elbquerung und die Einstrahlung ist schon fast weg

Direkt über dem Kaliberg nördlich von Magdeburg steht noch eine Wolke, aus der ich mühsam noch 200m Höhengewinn herausnudeln kann. Das ist zu viel zum sterben, aber zu wenig zum leben. Einen kleinen Flusen etwas weiter probiere ich noch, aber der zieht nicht. Also muss ich, wie schon bei allen anderen Flügen vorher auf dieser Rundreise, den Propeller herausholen und den Motor anwerfen. Mit den rund 700m hätte man zwar noch ein paar km gleiten können aber wozu? Die Strecke vor mir ist komplett dicht und ohne Einstrahlung und vom Abwarten verspreche ich mir auch nichts, da mir die Abschirmung entgegenkommt. Also brumme ich weiter der Heimat entgegen.

Stratocumulus voraus. Ein wenig zuppeln sie zwar, aber nutzbares Steigen spüre ich nicht

Immerhin knapp 130km Segelflug sind es geworden, die ich keinen Sprit verbraucht habe. Eine halbe Stunde später bin ich in der Nähe von Wilsche, wo die Wolken wieder aufreißen. Somit kann ich den Prop wieder wegpacken und fliege noch ein paar km im Segelflug weiter und lande dann bald. Bei der hohen Feuchte gehen die Wolken kaum.

Zu Hause nach sechs Tagen Wandersegelflug

Auf dem Flugplatz angekommen nehme ich mir erst einmal viel Zeit für technischen Dienst am Gerät und baue alle Motorverkleidungen ab, damit etwaige Feuchte im Rumpf noch verdunsten kann. Dann kommt mir noch Sören entgegen, der sich noch für 2,5h in die Thermik für einen Bundesligaflug werfen möchte. Ich bewundere ihn für seine Motivation, meine war inzwischen erloschen mit dem Wetter.

Damit ist auch diese Wandersegelflugepisode vorbei. Weitere nutzbare Wetterlagen ergaben sich in der zweiten Woche, die ich eigentlich unterwegs sein wollte, nicht. Es kam, wie prognostiziert. Regen, Wind, tiefe Wolken sorgten eher für Innendiesttätigkeiten. Irgendwann hielt es den Gastverein aus Unna, der gerade in Wilsche nicht mehr bei uns am Platz und sie brachen am Dienstag das Fluglager ab. Auch der LSV ist am gleichen Tag aus Suhl nach Hause gefahren. Das hat man wirklich selten, dass das Wetter so lange so mies ist, dass selbst die Segelflieger sich nicht mehr mit Spielen im Vereinsheim und dem einen oder anderen Hopfengetränk bei Laune halten können.

Mein Fazit von der Unternehmung? Streckenfliegerisch war es von den Kilometern her kaum der Bringer. Bei jedem Flug bin ich nur mit dem Motor ans Ziel gekommen und musste mehr oder minder immer mit dem Wetter kämpfen. Das kann man jetzt negativ sehen. Ich sehe es positiv, mit der Stemme und ihren Möglichkeiten habe ich die Tage nutzen können, bin bei Wetterlagen unterwegs gewesen, die mich sonst nicht einmal aus dem Bett geholt hätten und das hat am Ende zu Erlebnissen gereicht, die ich mir nie vorstellen konnte. Insbesondere der gestrige Flug von Mikulovice nach Reinsdorf mit schwacher Thermik hinter den Bergen, der Welle im Eulengebirge, Rotoren und Welle im Riesen- und Isergebirge, dem langen Abgleiter zwischen den Wolken bis hinter Görlitz und dem Spiel mit den Gewittern und der Konvergenz vor Reinsdorf war einer der wahnsinnisten Flüge, die ich je unternommen habe. Hätte ich die Geschichte vor einigen Jahren abends beim Bier erzählt bekommen, so recht geglaubt hätte ich sie nicht. Aus dem Grund war es die beste Entscheidung, einfach loszulegen. So etwas ist der Garant für Abenteuer, die man noch Jahre später im Detail weiß und gern erzählt :-)