25.07.: Wilsche-Torun

Geschrieben von Webmaster am .

Endlich Urlaub denke ich mir. Anfang des Jahres waren noch eine Menge Dienstreisen zu absolvieren, Messdaten auf Arbeit auszuwerten und aller möglicher anderer Kram zu tun. Nun waren zwei Wochen frei. Anfang des Jahres war uns dann noch eine Stemme zugelaufen, die hinten geduldig in der Halle wartet. Zwei Wochen Urlaub, die Stemme in Griffweite, hmmm das bringt einen auf Ideen. Wandersegelflug ist eine, die da sofort ganz oben steht. Vereinsmitglied Oliver hat das ja schon ein paar mal mit der DG400 unternommen (2017, 2020 und 2022) und Maurice hat dieses Jahr gezeigt, dass es auch mit einer LS8 ohne Motor geht. Ich wollte das eigentlich auch schon ewig mal probieren, noch dazu, da der Verein dann 2015 den Arcus als Eigenstarter gekauft hat, aber irgendwie kam die Entscheidung dennoch nie zusammen. Dieses Jahr war die Stemme dann der ausschlaggebende Punkt. Das Expeditionsschiff kann mit dem Viertaktmotor am Boden bewegt werden, aus eigener Kraft starten und wenn das Wetter mal nicht mitspielt, kann man im Reiseflug auch problemlos mehrere hundert Kilometer überbrücken. Das ist das schlicht perfekte Gerät dafür. Also Attacke!!

Eigentlich war der Plan, die gesamten zwei Wochen des Urlaubs zu nutzen, aber das Wetter ist vom 22.07. bis zum 24. echt widerlich. So muss ich den Plan, nach Anklam zu fliegen, mir da die Museen anzuschauen und mit einem Kunstfliegerkollegen mit dem Puchacz zu turnen, auf ein anderes Mal verschieben. Dienstag, den 25.07. deutet sich dann eine dünne Wetterlage nach Osten an, die sich nutzen ließe. Also wird gepackt. Wie Maurice mit der LS8 nutze ich den Flügel als Ablage für allen möglichen Kram. Da ich allein unterwegs sein werde, ist Platz in der doppelsitzigen Stemme kein ernster Lastfall, so dass auch Lieblingsdecke und Kuschelkissen noch mitkommen.

Kram zusammensuchen

Als erstes Ziel wird Torun auserkoren, wo genau zu dieser Zeit die Trainngswoche der Segelkunstflugweltmeisterschaft stattfindet. Der Veranstaltung kann ich ja mal einen Besuch abstatten, zumal man sich ja eh gut kennt und, da Vereinsmitglied David vor Ort ist, auch der eigene Wohnwagen als Übernachtungsmöglichkeit lockt. Also geht es irgendwann am Nachmittag los. Geplante Flugzeit sind knapp 6h mit reichlich 500km Distanz. Leider ist das Wetter etwas mieser, als angesagt. In Wilsche ist die Front gerade durch, als es schon wieder anfängt, dicht zu machen. Aus Polen berichtet David Basishöhen um die 600m, so dass sie dort vor Ort auch kein Training haben... Na mal sehen, wie das läuft. Ich rechne mit viel Motorzeit und kippe noch einen 20l Kanister in den Tank...

Nach etwas Motorzeit sehen die Wolken ganz brauchbar aus

Derweil hab ich mich bei FIS angemeldet und zu Trainingszwecken mal einen Flugplan aufgegeben. Der Lotse gibt mir ein QNH von 1007. Das sind eindeutig Tiefdruckbedingungen, also frage ich mich, was ich hier eigentlich gerade beginne? Segelflugbedingungen sind da eher nicht zu erwarten, aber das Wetter geht erst einmal. Mit 20km/h Wind von hinten, einigermaßen Einstrahlung und labiler Luft kann man sich ganz gut ohne Motor weiterarbeiten. So führt die Strecke nördlich an der Luftraumkante von BER entlang. So nah kam man Berlin früher nie, als Tegel noch aktiv war...

Berlin unter dem Flügel, da zieht es schon wieder zu

Der Fernsehturm von Berlin

Im Norden von Berlin kann ich dann noch eine Reihung zum Weiterkommen nutzen, aber die ist dann irgendwann zu Ende. Also geht die Kämpferei los. Bei Neuhardenberg steht über einem großen Solarfeld der letzte Bart, mit dessen Hilfe ich mich wieder auf Arbeitshöhe ausgraben kann. Ab dann geht es nur noch nach unten und hinter der polnischen Grenze ist der komplette Himmel bedeckt. Irgendwo vor einem riesigen Waldgebiet, wovon es in Polen echt genug gibt, gebe ich dann in etwa 600m auf. Es gibt keinen Grund, noch tiefer zu gehen, wenn es erkennbar keine Thermik mehr hat und die nächsten Wolken sicher 20km weit weg sind. Also wird der Motor angeworfen und die Stemme brummt weiter.

Alles dicht und keine Thermik mehr. Ein Glück, dass es den Motor gibt

Nach einiger Zeit ist die Abschirmung durchflogen und es gibt wieder ein paar Thermikwolken. Da mich der Kurs jedoch direkt über die Flussaue der Netze, auf polnisch Noteć, führt, ist hier auch kaum Steigen. Da der Schnitt vorher auch nicht so berauschend war, lasse ich den Motor laufen, damit es nicht zu spät wird. Was dabei auch auffällt, wie breit die Aue ist. Polen ist so weit im Norden wirklich tischeben. Das kennt man ja schon aus Norddeutschland, kommt einem hier aber noch intensiver vor.

Die Netzeaue: Dunkelgrün und wolkenlos

Weiter auf Kurs muss ich noch um den Luftraum von Bydgoszcz herum, bevor ich mich in Torun anmelde. Dort ist inzwischen auch die Bewölkung angestiegen und ein wenig Trainingsbetrieb. Ich sortiere mich hinter die Schleppmaschine und den im Queranflug befindlichen Swift ein und lande. Platz ist hier auf dem alten ehemaligen Militärplatz, dessen Historie bis 1915 zurückreicht, weiß Gott genug. Also stelle ich die Stemme auf eine freie Grasfläche vor den Hallen.

Angekommen...

Von da aus bin ich neugierig und gehe zum Start. Achja, da ist ja unser Swift, das andere Spielzeug, auf dem David hier seinen Spaß haben darf :-)

Der Swift am Start

Es sind die letzten Flüge für heute und danach helfe ich noch beim Halle einräumen, bevor ich vom Deutschen Team mit einem Bier in Emfang genommen werde. Die Augen sind groß, da mit meiner Anwesenheit keiner gerechnet hatte. Du? Hier?? Mit der Stemme??? Es sollte ja eine Überraschung sein. Die war gelungen :-) Etwas Käsespätzle hatten sie auch noch übrig :-)