Die Weihnachtswelle
Eigentlich ist die Aktivität der Mitglieder des LSV Gifhorn ab Anfang November in die Innenräume verlegt, um die Technik für die kommende Flugsaison 2020 wieder fit zu machen. Eigentlich, denn plötzlich brummt es auf dem Segelflugplatz in Wilsche und die Dimona, der Vereinsmotorsegler erhebt sich in die Luft. Erst Stunden später, gegen Sonnenuntergang, kommt das Flugzeug wieder und landet auf dem Platz. Man fragt sich, wie es so lange oben bleiben konnte, da der Tank definitiv nicht für die Flugzeit gereicht hätte.
Martin Pohl, Fluglehrer und begeisterter Wellenflieger im Verein, klärt das Geschehen auf, nachdem er aus der Dimona geklettert ist: „Üblicherweise nutzen wir Segelflieger thermische Aufwinde, die sich im Sommer bilden, wenn die Sonne den Boden erwärmt und die darüber befindliche warme Luft aufsteigt. Das gibt es aber bei dem flachen Sonnenstand im Winter nicht. Heute am Sonntag war dagegen sehr starker Wind aus Südwest vorhergesagt. Bei diesen Bedingungen kann es dazu kommen, dass die Luft im Lee, also hinter den Bergen in Schwingungen geraten kann. Immer dann, wenn die Luft in einer solchen sogenannten Leewelle dabei nach oben schwingt, kann man Höhe im Segelflug ohne Motor gewinnen. Das kann man genauso vorstellen, wie ein Surfer mit seinem Brett auf einer Wasserwelle surfen kann. In unserer Region kommt dabei in erster Linie der Harz in Frage. Im Lee des Brockens bilden sich regelmäßig solche Wellen.“
Der Propeller steht...
...und es gibt dennoch 1m/s Steigen :-)
Auch vom Boden aus sind diese Wellen leicht an linsenförmigen Wolken zu erkennen, die, obwohl der Wind sehr stark sein kann, stationär am Himmel stehen. Passend zur Form werden sie Altocumulus Lenticularis genannt. Am Sonntag, den 15.12. war so eine Wetterlage, die Martin Pohl und Nico Klingspohn mit der Dimona genutzt haben. So kamen sie auf etwas mehr als eine Stunde Segelflugzeit im Lee des Brockens. Genau über Wernigerode fand sich die Leewelle.
Am Dienstag, zwei Tage später war sogar noch eine bessere Wetterlage vorhergesagt, die sich Martin nicht entgehen lassen konnte. Zusammen mit Björn Köhnke sind die beiden am Vormittag mit der Dimona in den Harz geflogen. Schon in knapp über 1000m fand sich die Welle bei Hasserode, die sie dann bis fast 3000m Höhe mitgenommen hat.
Björn Köhnke (links) und Martin Pohl in der Leewelle des Brockens mit Lenticulariswolken im Hintergrund
An dem Tag konnten die beiden sogar mehr als drei Stunden Segelflug betreiben, bevor sie zum Sonnenuntergang wieder auf dem Flugplatz Wilsche gelandet sind.
Blick auf den Brocken auf dem Heimweg
Neben dem reinen Flugspaß dienen diese Flüge auch dazu, Daten über Häufigkeit und Intensität derartiger Wellenphänomene in der Atmosphäre zu gewinnen. Diese werden genutzt, um z.B. Turbulenzvorhersagen zu verbessern und somit die Sicherheit der Luftfahrt zu verbessern, damit Flugzeuge vor sehr starken Leewellen gewarnt werden können. Dazu werden Berichte über Leewellen und die vorgefundenen meteorologischen Bedingungen zentral gesammelt, um dann von meteorologischen Instituten, z.B. in Hannover oder Berlin, ausgewertet zu werden.