Genußfliegen und freies Fliegen
Die Frage, warum man denn mit der Fliegerei begonnen hat, wird von vielen Fliegern mit einem kurzen Satz beantwortet: "Weil ich gern die Welt von oben sehen und die Aussicht genießen wollte...". Das war für viele der Einstieg und bleibt für nicht wenige auch weiterhin die Motivation, wenn man sich länger mit dem Segelfliegen befasst. Genußfliegen - ohne dass einem jemand sagt, was zu tun ist, einfach nur tun, was man selbst im Sinn hat
In der Thermik in der Umgebung des Platzes
Einfach in ein Flugzeug einsteigen, starten, Thermik finden und sich die Gegend ansehen. Schon bei uns in Wilsche kann man das bei guten Wetterlagen aus über 2000m Höhe über Grund tun und nicht nur die Häuser, sondern auch das Alltagsleben wirken dann da unten seltsam klein und unbedeutend.
Blick aus 1500m auf die Welt. Na, wo ist der Flugplatz?
"Platzadler" werden diese Piloten gern genannt, die ihre Zeit in der Nähe des Flugplatzes verbringen, um Natur, Aussicht und das Dasein in der Luft zu genießen. Gern wird dazu im Verein bei uns auch die Ka8 genutzt - insbesondere mit der offenen Cabriohaube. Dann kann man nicht nur heraus schauen, sondern die Luft säuselt einem auch direkt um die Nase und man kann die Thermik sogar faktisch riechen. Im Sommer ist das über den Kiefernwäldern durchaus möglich, dass es nach Nadelholz riecht.
A Propos Adler: Die kommen nicht nur in der Bezeichnung Platzadler vor, manchmal kann man sie sogar bei uns zu Gesicht bekommen, wie dieses Foto beweist:
Seeadler direkt über unserem Flugplatz
Da auch die Vögel thermische Aufwinde nutzen, kann man sogar öfters mit ihnen zusammen kreisen. Greifvögel trifft man oft, aber insbesondere im Herbst sind es die Störche, die gemeinsam mit den Segelflugzeugen fliegen. Jungstörche sind dann oft nur wenige Meter entfernt und völlig entspannt bei der Sache. Selbst in Höhen über 2000m haben wir schon Vögel in der Thermik getroffen. Bei Störchen, die thermische Aufwinde auch gern zum Energiesparen beim Vogelzug nutzen, können wir das ja verstehen aber Greifvögel? Die mögen gute Augen haben, aber aus 2000m erkennen die auch keine Maus mehr. Kann uns doch keiner sagen, dass die das nicht auch aus Spaß an der Sache machen ;-)
Freies Streckenfliegen
Nach einer Weile ist es dann oft so, dass man die Gegend um den Flugplatz kennt und mal etwas anderes sehen möchte. Zudem bekommt ja jeder Flugschüler bei uns im Verein schnell mit, dass es da eine Truppe Streckenflieger gibt, die abends gern von Flügen erzählen, die über 300, 500 oder selten sogar bis 1000km reichen. Da kommt dann das Verlangen, das auch mal auszuprobieren. Also wird das Wetter angeschaut, wo es gut gehen soll und eine Strecke geplant. Bei den ersten Versuchen sind das dann mal 150, mal 200, mal 300km, die gern zuerst mit einem erfahrenen Piloten oder Fluglehrer im Doppelsitzer absolviert werden. Im Einsitzer sind wir auch meist mit mehreren Flugzeugen unterwegs, das erhöht die Chance auf Thermik und den Spaß dabei ;-)
Gemeinsam macht es noch mehr Spaß :-)
Vorgaben im engeren Sinne gibt es dafür keine, geflogen werden kann, was jedem Spaß macht. Das reicht dann von kurzen Runden in der näheren Umgebung für ein paar Stunden bis dahin, den Tag wirklich maximal zu nutzen und mit den ersten Thermikflusen zu starten und dann nach dem Ende des Tagesganges wieder zu landen. Der eine fliegt dann gern Wolkenstraßen hin und her, andere wollen Dreiecke fliegen, manche möglichst schnell, manche möglichst weit... Der Menge der Spielarten sind da kaum Grenzen gesetzt - wie es eben gefällt. Die Grenzen zwischen dem "freien Fliegen" ohne Vorgaben oder konkrete Pläne und den Dezentralen Wettbewerben, wie DMSt oder OLC Bundesliga, auf die wir auch noch eingehen, sind da fließend.
Auf Tour durch Norddeutschland
Unsere Nähe zu den thermisch guten gebieten Norddeutschlands am Südrand der Heide erlaubt uns da einen sehr einfachen Zugang zu großen Fluggebieten.
Fluglager: "Touristisches Fliegen"
Strecken- und Genußfliegen kann man natürlich nicht nur in Wilsche. Segelflugplätze gibt es auf der gesamten Welt, da liegt es doch nahe, sich auch mal andere Gegenden anzusehen. Jedes Jahr fahren Flieger aus unserem Verein daher an die verschiedensten Orte, um sich mal andere Landschaften und Wetterverhältnisse anzusehen. Die Mittelgebirge sind da schon recht beliebt. Im Sommer kann man auch dort beste Thermikbedingungen erwarten, so dass ein Ausflug lohnt. 2013 sind wir mal direkt von Wilsche aus in den Harz. Der Weg dort hin ist meist beschwerlich, im Harz selbst ging die Thermik dann jedoch bis fast 3000m hoch und man konnte den gesamten Gebirgszug problemlos hin- und herfliegen. Der Brocken war aus der Höhe auch klein...
Der Brocken aus fast 3000m Thermik
Ab und an veranstaltet auch der gesamte Verein Fluglager. 2018 waren wir z.B. in Klix bei Bautzen, von wo aus man auch hervorragende Einstiege in die Lausitz oder das Erzgebirge findet.
Noch bessere Aussichten findet man in Leewellen, die Segelfliegen auch im Winter erlauben, wenn die Thermische Saison pausiert. Mit dem Harz vor der Haustür und einer entsprechenden Wellenflugzone kann man da auch fliegen. Strecken bis über 300km sind möglich und Höhen bis über 7000m... Noch viel besser geht das dann z.B. in den Sudeten. Dazu gibt es eine Menge Berichte bei den Erlebnissen - zu viel, um hier darauf einzugehen ;-)
Glasklare Luft über dem Harz in der Leewelle
Ebenfalls erfreuen sich die Weserberge zum Hangfliegen größter Beliebtheit. Auch dort kann man frei fliegen. Von einer Stunde im Hangwind am Ith, wenn sonst nichts mehr geht, bis zu mehr als 400km ist alles möglich, wenn man die Strecke von den Hils am Südostrand des Ith über den Süntel, die Porta bis ins Wiehengebirge ausfliegt.
Hochgebirge - die Königsklasse
Wenn der Höhenmesser 3000m anzeigt und der Fels doch keine 100m weg ist - dann befindet man sich im Hochgebirge. Dies ist die mit weitem Abstand vielgestaltigste Umgebung, in der Segelflug betrieben werden kann. Aussichten auf Faltengebirge, die von unvorstellbaren Kräften in ebenso unvorstellbaren Zeiträumen aufgetürmt wurden, lassen schon jeden Platzflug dort zum Erlebnis werden. Unterstützt wird dies noch, dass alle Aufwindarten im Hochgebirge vorkommen - manchmal sogar an einem einzigen Tag. Thermische Aufwinde setzen im Gebirge an sonnenbeschienenen Osthängen früh sehr zeitig ein, wenn im Flachland noch nichts geht und liefern an Westhängen auch spät abends noch den "letzten Bart" zum Nachhausekommen. Mit etwas Wind, der auf die steilen und hohen Bergketten trifft, lässt sich wunderbar hangfliegen und wenn der Wind in der Höhe reicht, dann sind bei den hohen Bergen auch Leewellen oft im Spiel.
Gemeinsam unterwegs in den französischen Alpen
Insbesondere im Frühjahr, wenn noch der Schnee auf den Bergen liegt, machen die Aussichten auf weiße Berge und knackige Kaltluftthermik das Ganze zu einem wahnsinnigen Genuß. Manchmal ist der Berg dann fast zum Greifen nah und bietet ein Postkartenpanorama, wie man es von keinem Airliner aus zu sehen bekommt...
Der Morgon zum Greifen nah
2016 hatten einige Vereinsmitglieder einen unvergesslichen Flug in den Bergen, der wirklich alle Aufwinde, die man so nutzen kann, bereithielt. "So kalt wird es schon nicht werden" dachten die beiden noch am Morgen, als der Himmel noch recht unentschlossen aussah. Doch das war untertrieben ;-)
Auch in den Alpen sind große Flüge möglich. Über 1000km, sowohl in der Thermik, als auch in der Welle und im Hangwind, sind oft erflogen worden. Eine Sache darf man jedoch in den Bergen nie vergessen: Den gesunden Respekt. So atemberaubend anzusehen die zerklüftete und rohe Landschaft ist, so anspruchsvoll ist die Fliegerei, gerade, wenn man mal tiefkommt. Mindestens einen Plan B und einen Plan C in Form eines vorher bekannten Ackers zum Außenlanden sollte man immer in Petto haben. Werden diese Regeln beherzigt, wird diese Art der Fliegerei nie alt und ein Fliegerurlaub in den Alpen ist eine Sache, auf die man sich jedes Mal aufs Neue freut, wie ein kleines Kind auf Weihnachen :-)
Fazit
Segelfliegen und Streckenfliegen sind ein wahnsinnig breites Feld, in dem jeder je nach Ambitionen und Möglichkeiten Spaß und Erfüllung finden kann - und das ein Leben lang.