Das Nikolausgeschenk für Segelflieger
Am Nikolaustag, Sonntag dem 06.12.2015, hatte sich selbiger für die Kleinsten unseres Vereins angekündigt. Parallel dazu waren auch unsere Wellenflieger David und Martin an dem Tag nicht uninteressiert, hatten doch die Wetterberichte für diesen Tag eine eventuell brauchbare Südwestlage vorhergesagt, an der man im Harz ein wenig fliegen kann.
Aussicht auf eine wattebedeckte Landschaft
Bis es jedoch diese schönen Aussichten zu bestaunen gab, die die beiden nur träumen ließen angesichts des sonst tristen Wetters in der dunklen Jahreszeit, waren ein paar Aufgaben zu lösen. Aber lest selbst Martins Bericht...
Unter der Woche...
"Moin Männers,
nach dem letzten Fehlalarm zeichnet sich für Sonntag die nächste Möglichkeit ab, bei der es gehen könnte. Momentan ist das Windprofil nicht schlecht, wenn es auch etwas mehr noch Südkomponente haben könnte."
schrieb Martin Mitte der Woche an die üblichen Verdächtigen der Wellenfliegerei. Daraufhin haben wir die Wettervorhersagen studiert und festgestellt, daß es diesmal recht konstant mit der Rechnung weiterging. Nur der Wind hatte eigentlich eine zu starke Westrichtung, als daß die Standardstellen im Harz gehen könnten, aber schauen wir mal. Daneben hatte sich auch Johannes noch für eine Einweisung angemeldet.
Leider war jedoch bei keinem der üblichen Wellenflugnester nördlich des Harzes - namentlich Aschersleben und Ballenstedt - Schleppbetrieb zu bekommen. Wärend das David und mich nicht so betraf, da wir uns mit dem Arcus in die Welle werfen wollten, war das natürlich für Johannes das Ende der Ambitionen.
Darüberhin wurde es Samstag Abend, morgen war der große Tag. Leider war an beiden Plätzen auch nichtmal jemand zum Helfen beim Aufrüsten des Arcus zu bekommen - hmmm. Zu zweit den schweren Dampfer stecken - das noch bei Wind? Nö. Also faßten wir den Plan, morgen das Gerät in Wilsche zusammenzustecken und dann direkt von da aus loszulegen und zum Harz zu ratteln. Bei 100km/h Seitenwind ist das ein spannendes Unterfangen. Aber erst morgen... Also Gute Nacht.
Das Abenteuer beginnt
Sonntag Morgen wurden wir dann vom Wecker unsanft aus den Träumen gerissen. Um 0600 war es noch stockduster und wir fragten uns ernsthaft, wieso wir uns das antun. Aber nunja, muß ja.
Einen Kaffee und ein ausgiebiges Frühstück später sah die Welt dann schon besser aus. Mit Nico und Florian hatten wir uns zum Stecken des Arcus um 0900 verabredet und pünktlich wie die Maurer waren die beiden da. 20min später stand auch unsere Sänfte in voller Schönheit da und wir waren Feuer und Flamme, daß es losgeht.
Wenn nur - naja die Wolken - nicht wären...
Skeptische Blicke in den Himmel und das Satellitenbild... Verschwindet die Pampe mal??
Gerade in dem Moment, da wir loslegen wollten, kamen tiefe Wolken und ungefähr so hoch wie die Basis war nun unsere Zuversicht. So ein Mist. Also haben wir nach 20min Warten neben der Halle erst einmal noch einen Kaffee gekocht und gefühlt 387 mal die Satellitenbilder nachgesehen. So ein paar Löcher sind ja drin und die Webcam am Burgplatz in Braunschweig zeigt auch Sonne... Verdammt. Das ist der Nachteil, so weit weg von der Föhnlücke zu starten.
So gegen 1030 hält es Martin nicht mehr im Vereinsheim. "Ohne daß es hier laut auf dem Platz war, fahr ich nicht heim!" spricht er und beide rennen aus dem Haus Richtung Flugzeug. Noch einmal kurz alles überprüft, Sauerstoffpullen aufgedreht (die Zuversicht stirbt ja zuletzt) und eine Viertelstunde später stehen die beide im Arcus sitzend am Platz. Nico schafft es noch, ein Foto aufnzunehmen, bevor beide in den Himmel entsteigen...
Der Motor läuft und los gehts
Der Flug zum Harz
"Hui, ist das ein Stiehm" kommt Davids Kommentar vom Rücksitz. Tatsächlich kommen wir bei einer Grundgeschwindigkeit von 50-60km/h kaum vorwärts und das Gerät erzählt und etwas von 90km/h Seitenwind. Ui... Beeindruckend. Gefühlt Minuten später hängen wir an der Basis, die bei überschaubaren 800m über Grund liegt. Beste Voraussetzungen, also hilft es nichts, als mit dem Motor auf konstanter Höhe zu fliegen. Das sollte man aber nur sparsam tun, da sonst der Motor zu wenig Öl bekommt, weswegen wir das nur sehr vereinzelt zum Einsatz bringen.
So hangeln wir uns dann über die Kontrollzone von Braunschweig, nur getrieben vom sonoren Brummen hinter uns und der Verheißung der Föhnlücke, die in Form von ein paar Sonnenstrahlen südlich von Braunschweig am horizont schimmert.
Licht am Ende des Tunnels?
Zwischenzeitlich schalten wir mehrfach das Triebwerk aus, um im energiesparenden Segelflug voranzukommen, was uns mit dem ca. 750kg schweren Luxusdampfer selbst bei dem Sturm besser gelingt, als wir dachten. Zudem gibt es südlich von Wolfenbüttel die ersten Tritte in den Hintern - Rotoren. So können wir uns ein paar Liter Sprit sparen, auch wenn wir die gesamte Zeit immer noch mit den tiefen Wolken klarkommen müssen. Auf diese Weise hangeln wir uns bis Wernigerode, wo die Rotoren minutenlang Waschmaschine mit uns spielen. Warum kommen wir nur immer zum Schleudergang dazu???
Der Brocken Teil 1
Es ist aber auch hier wie immer - Beharrlichkeit ist aller Rotoren Ende. Ein wenig Bastelei brauchte es, aber dann kommen wir über die Wolken und in die Föhnlücke am Südrand von Wernigerode.
Komisches Gefühl, über Grund stillzustehen, wärend die Wolken unter uns mit 110km/h ziehen...
Hier entfesselt der Sturm nun seine ganze Kraft. Bei mehr als 110km/h können wir mit dem Arcus sogar mit -20km/h über Grund fliegen und müssen aufpassen, daß es uns nicht wegschiebt. So schaffen wir es aus reichlich 1100m schließlich auf knapp 2100m und freuen uns über die Aussicht.
Geschafft! Das ist der Anfang eines wunderbaren Tages - dachten wir...
So richtig will aber kein Genuß aufkommen. Die Föhnlücke, durch die wir uns durchgebastelt haben, ist erstens die einzige, so weit wir schauen können. Zweitens macht es auch den Anschein, daß sie konstant kleiner wird, was David vom Rücksitz auch mehrfach kundtut. Martin mag sich erst nicht von der Aussicht lösen, muß aber einsehen, daß es sonst im Wolkenflug endet. Mal abgesehen, daß wir weder die Lizenz haben, noch das Flugzeug die Instrumente dafür, beschließen wir abzuhauen.
Klappen raus und nix wie runter. Martins Schimpftirade in mehreren Sprachen sparen wir uns lieber ;-)
Mit knapp 10m/s Sinken dauert es etwa eine Minute bis zu den Wolken. Was uns erst im Nachgang beim Betrachten der Filme klargeworden ist, wie genau wir den Zeitpunkt für den Abstieg getroffen hatten. Innerhalb der Zeit des Abstiegs haben sich immer mehr Wolken gebildet und schwups war die Föhnlücke weg, als wir durch waren.
Innerhalb einer Minute kommen immer mehr Wolken. Keine Minute zu früh würden wir sagen
Ende des Vorhabens?
Und nun sind wir wieder da, wo wir eben noch waren. Knapp 1000m MSL inmitten der uns weiterhin prügelnden Rotoren sollten wir uns jetzt ernsthaft Gedanken machen, wie wir wieder nach Hause kommen... Oder doch nicht? Offenbar von da oben nicht zu sehen, aber Richtung Osten ist Sonne, als steht da eine weitere Föhnlücke, vielleicht am Ramberg? Es ist uns jetzt noch deutlich zu früh, den Korn in die Flinte zu schütten, oder wie auch immer dieses Sprichwort ging. Also geht die Wölbklappe nach vorn und wir schießen in Richtung der Sonne, stets begleitet von den Rotoren, die weiter Waschmaschine spielen, aber immerhin den Weiterflug ohne Motor ermöglichen.
Bäm! Die knackige Rotorböe reißt mir sogar die Mickymaus von ihrer Ablage...
Offenbar ist hier eine Menge Strom in der Atmosphäre, jetzt gilt es nur, die Föhnlücke zu finden und sich dann dort wieder hochzubasteln. Aber immerhin, etwas südwestlich von Quedlinburg reißt es endlich auf und im Schnitt können wir immer noch die Höhe halten.
Endlich wieder Blau am Himmel
Der Ramberg rettet uns den Tag
Etwas Sucherei braucht es dann doch noch, bis wir exakt an der klassischen Stelle - zwischen Gernrode und Thale - die Rambergwelle ausgraben können. Interessanterweise geht die selbst bei dem doch sehr westlich orientierten Wind noch zuverlässig und hebt uns endlich aus der nervigen Rotorschicht. Zum zweiten Mal sehen wir die Wolken wieder von oben.
Vor den Rotorwolken steht die Welle - wie im Bilderbuch
Als wir dann die 2000m unter uns lassen, bleibt erst einmal etwas Zeit zum Durchatmen und Entspannen. Der Flug bis hierher war doch deutlich spannend, da im Sekundentakt Entscheidungen notwendig waren. Jetzt, da die Föhnlücke diesmal mitspielt, kann man die Blukonzentration im Adrenalin wieder etwas höher schrauben ;-)
So bringt uns die Welle bis auf etwa FL90 und wir melden uns jetzt bei Bremen Radar an und fragen nach einer Freigabe über FL100. Nachdem man uns dann erst einmal an München Radar verwiesen hat, landen wir doch wieder bei Bremen, aber auf einer anderen Frequenz. Kurz tauschen wir unser Vorhaben gegen einen Transpondercode ein und fliegen vor Richtung Brocken. Dort treffen wir dann die Primärwelle, die uns mit 2,5m/s in den Orbit hievt. Sollte dieser Tag doch noch den großen Erfolg bringen?
David hat sich schon mit Sauerstoff bewaffnet und genießt die Show ganz offensichtlich
Der Brocken Teil 2
Die Freigabe bis FL130 bekamen wir ohne Probleme - zusammen mit dem Kommentar, sollten wir mehr brauchen, müßten wir uns nur melden. Naja bei dem Steigen war das bereits nach ein paar Minuten der Fall, als FL150. Auch die hatten wir wenig später erreicht, woraufhin wir FL180 genehmigt bekamen. "Piep Piep Piep, die Welle hat uns lieb..." So lassen wir Meter um Meter unter uns, bis wir schließlich über 5000m MSL erreichen können. Nach Höhenmesseranzeige lag unsere Maximalhöhe bei etwa 5200m.
Das Beweisfoto: 5000m auf dem Höhenmesser
Nur Genießen....
Hier oben kommen wir nun nicht aus dem Staunen heraus. Die gesamte Welt um uns herum ist einfach nur mit einer weißen Watte bedeckt, über uns nichts als schwarzblauer Himmel mit einer glasklaren Sonne. Dazu sind wie hier heute völlig allein. Kein anderes Flugzeug ist weit und breit zu sehen, nicht einmal ein Passagierjet traut sich in diese losgelöste Welt.
...........Ohne....Worte............
Dazu nicht als die vollkommene Stille, nur unterbrochen vom Säuseln der Strömung um das elegante Flugzeug und dem leisen Piepsen des Variometers, keine einzige Bewegung in der Luft. Hier oben gewinnen Zeit und Raum eine gänzlich andere Bedeutung, es hat irgendwie etwas unwirklich meditatives an sich. Obwohl man natürlich die Physik dieser Erscheinung versteht, ist es trotzdem kaum greifbar, einfach so in der Mitte des Raumes zu schweben, so fernab von allen bodengebundenen Belangen und Problemen...
A propos Atmosphärenphysik, aus der Höhe läßt sich die schwingende Luftmasse auch wunderbar beobachten. Es ist schon beeindruckend, was für beachtliche Auswirkungen so ein nicht einmal 600m hohes Hügelchen, wie der Ramberg, in der starken Strömung hinterläßt. Bis zur zwölften Ordnung konnten wir die Wellen im Lee zählen.
Bis zur zwölften Ordnung stehen die Wellen hinter dem Ramberg
Heimreise
Irgendwann jedoch muß man sich auch wieder der Realität zuwenden. So schön es hier ist und so selten das Erlebnis, im dunklen Winter eine solche Aussicht zu genießen, müssen wir uns auch Gedanken um den Heimweg machen. Auch wenn noch etwas Zeit bleibt, aber gerade ist der Weg Richtung Norden ziemlich frei, sogar Braunschweig und Gifhorn sind von hier zu sehen. Also fliegen wir langsam los, nachdem wir noch einmal die umliegenden Wellenzeichen erfolglos abesucht haben. Irgendwie haben die Kollegen von der DFS heute ihren spendablen Tag, so bekommen wir auch den Flug nach Norden noch über FL100 problemlos genehmigt. Ich hoffe, es hat für Euch auch noch ein Nikolauspräsent gegeben...
Auf dem Heimweg zwischen Wolfenbüttel und Salzgitter
Die Heimreise wird uns dabei auch mit absolut faszinierenden Ansichten auf dünne Wolkenschichten versüßt, in denen man selbst das Halo der Sonne um den eigenen Schatten sehen kann. Wann bekommt man als Segelflieger sowas schon einmal zu sehen? Im thermischen Flug zumindest passiert das nicht.
Das Halo in der Wolke...
So führt uns unser Weg in knapp 3000m über unsere Wahlheimat Braunschweig Richtung Gifhorn. Mit 1500m Plus auf Wilsche könnte das auch reichen ;-)
Braunschweig aus fast 3000m Höhe
Und man kann sich einfach nicht sattsehen an dem Panorama über den Wolken
So kommen wir irgendwann über Wolfsburg an. Leider machen die Wolken nach Westen einen Weiterflug über den Wolken nicht mehr möglich, da kein Loch mehr zum Abtauchen zu sehen ist. Also müssen wir hier 500m vernichten und hier unter die Wolken sinken. Auf die Art kann man sich auch seiner Endanflughöhe berauben. Um doch noch anzukommen, nehmen wir an Fahrt mit, was wir können.
Ein letzter Gruß an die Sonne, bevor wir unter den Wolken verschwinden
Tja, nun hat uns das triste Winterwetter wieder. Einmal kurz wird der Flug noch spannend, da wir jetzt über 20km gegen den immer noch sehr starken Wind nach Hause vorfliegen müssen, doch der treue Arcus gleitet auch noch bei 180km/h wie der Teufel. So schaffen wir es in 500m höhe in Wilsche an den Platz, wo uns die immer bockiger werdende Bodengrenzschicht empfängt. Auch der Landeanflug wird kein Genuß bei dem Windgradienten, so daß wir auch da 100m mehr Höhe und einiges mehr an Fahrt mitnehmen. Selbst den schweren Arcus rappelt es ordentlich durch.
Anflug mit 130 und das war kein km/h zu wenig...
Zu Hause nach einem absolut beeindruckenden Flug
Kurze Zeit später hat uns die Erde wohlbehalten wieder und wir steigen beide mit einem dicken Grinsen aus dem Flugzeug aus. Zusammenfassend war dies einer der eindrücklichsten Flüge, die ich je erlebt habe, sowohl von den Aussichten, die wir hatten, als auch von der Vielgelstaltigkeit dessen, was zum Gelingen notwendig war. Fakt ist - sowohl das Wetter, als auch die DFS haben uns hier ein Nikolausgeschenk gemacht, an das wir uns noch lange erinnern werden.
Was für ein Flug
Direkt danach kam dann der Nikolaus auch für unsere Kleinsten vorbei, so daß auch die in den Genuß von ein paar Präsenten kamen. Wir hatten unseres gerade ausgepackt :-))
Für alle, die bis hierhin durchgehalten haben, gibt es den Flug auch noch einmal als 12min Film zum zu Hause genießen, wenn es draußen in Strömen gießt... Viel Spaß beim Anschauen!