Fliegen auf der anderen Seite des Globus
Japan, davon haben die meisten Menschen in Europa ein durch diverse Filme und Bücher geprägtes Bild, da die wenigesten bereits einmal da waren. Unser Vereinsmitglied David war über die Ostertage dort im Urlaub, um sich Land und Leute anzusehen. Dabei dann auch noch an die Fliegerei zu denken, mag den wenigsten einleuchten, aber auch in Japan gibt es Segelflug...
...wie hier eindeutig zu lesen ist.
Dieses Wissens hat dem begeisterten Jungsegelflieger natürlich keine Ruhe gelassen, also hat er den japanischen Kollegen mal einen Besuch abgestattet und durfte sich das Land mal von oben ansehen. Zum Glück für uns zu Hause hat er dann noch einen wunderbaren Bericht verfaßt...
Japan - Segelfliegen auf der anderen Seite des Globus.
Japan─ das Land der aufgehenden Sonne am anderen Ende der Welt. Eine Nation, die für Sushi, Sumo, Toyota und Kirschblüten der Welt und auch mir ohne genauere Befassung mit diesem Land vorher bekannt war, aber ich wusste, dass es mehr zu bieten hat, als die typischen bekannten Kulturgüter. Die anstehende Reise nach Japan gab mir dann einen Grund herauszufinden, was dieses Land alles auf Lager hat.
Es war nicht mein erster Aufenthalt in Ostasien. Zuvor hatte ich schon Korea, China, Thailand und Singapur bereist, weswegen ich erahnen konnte, was mich an spektakulären Dingen sowohl in der japanischen Gesellschaft, als auch im gewöhnlichen japanischen Alltag erwarten wird, auch wenn alle Länder, die ich in Ostasien bisher besucht habe, sich komplett in ihrer Gesellschaft, Kultur und Politik untereinander unterscheiden. Ob es jedoch auch auf einem von Europa komplett verschiedenen Kontinent einen Luftsport gibt, der seine Wurzeln in Deutschland hat??
Aus eigenem Interesse habe ich mich über möglichen Luft- und Segelflugsport in Japan vorher informiert, wo einem Google viel bei helfen konnte. Erst bin ich auf ein paar japanischen Luftsportvereinseiten gelandet, die jedoch leider alle auf Japanisch waren, was mir wenig weitergeholfen hat. Aber anscheinend scheint Segelfliegen dort keine unbekannte Sache zu sein. Das war doch schon einmal gut. Schließlich bin ich auf einen Artikel aus der Zeitschrift „Segelfliegen“ gestoßen, in dem es um Segelfliegen in Japan ging. Der Autor, der diesen Artikel verfasst und auf einem Foto in einem japanischen Twin gesessen hatte, kam mir nicht ganz unbekannt vor. Es war Helge Zembold, der sich anscheinend auch schon einmal die gleiche Frage gestellt hat, wie ich. Sofort habe ich ihn angemailt und mal nachgefragt, ob er etwas wüsste, wie man Kontakte nach Japan zu knüpfen hätte. Er verwies mich auf die Seite des Japan Soaring Clubs, einen Verein, der 90 Kilometer nördlich von Tokio gelegen ist. Auf der Homepage des Vereins war auch eine E-Mailadresse angegeben, die man für Anfragen aller Art kontaktieren sollte.
Das tat ich auch und ein paar Tage später bekam ich dann eine Antwort von Herrn Shigeteru Suzuki, der Ausbildungsleiter des Vereins. Er nannte mir ein paar Termine, an denen während meiner Zeit in Japan geflogen wird und meinte, ich solle mich dann einfach melden, wenn ich in Tokio angekommen bin. Alles Weitere würden wir dann klären.
Meine Reise nach Tokio begann am 19. März am Hamburger Flughafen. Ich fuhr zusammen mit meiner Mutter und meiner Schwester ins ferne Japan. Nach einer 16-stündigen Reise mit Zwischenstopp in London sind wir dann endlich morgens um halb acht am Flughafen Haneda in Tokio angekommen. Nach einer Mütze Schlaf habe ich mich dann bei Herrn Suzuki wie abgesprochen gemeldet.
Schließlich hatten wir uns für den 27. März auf dem Flugplatz Itakura verabredet. Freundlicherweise hatte uns Herr Suzuki eine Zugverbindung nach Itakura herausgesucht, da es nämlich für nicht ganz so ortskundige Touris, wie uns, sehr kompliziert ist, ohne Probleme aus der größten Stadt der Welt mit der Bahn herauszukommen. Nebenbei erwähnt: Der Bahnhof in Shinjuku, einem Stadtteil in Tokio, in dem auch unser Hotel lag, von dem wir abgefahren sind, ist der von Passagieren am meisten genutzte Bahnhof der Welt mit ca. drei Millionen Fahrgästen…pro Tag!!!
Also machten wir uns Ostersonntag, den 27. März, morgens um 7:30 auf den Weg nach Itakura. Der Wetterbericht war jedoch eher schlecht ausgefallen. Sowohl die Otto-Normal-Fußgänger-App als auch die Japan Meteorological Agency, so was wie der DWD hier, der jedoch noch zusätzlich Angaben zu Aktivitäten in der Lithosphäre macht, haben für den ganzen Tag dicke Wolken und vereinzelt Schauer angesagt. Dabei ist März bis Juni die beste Zeit, um in Japan zu fliegen. In diesen Monaten ziehen oft Kaltfronten aus Sibirien über das Land, was dort an vielen Tagen zu Hammerwetter und guter Basis führt. 2000 bis 3000 Meter Basis sind dabei keine Seltenheit.
Mist, dann hat man einmal die Möglichkeit in einem Land wie Japan zu fliegen und an einem einzigen Tag (!) meines Aufenthaltes soll hier dann schlechtes Wetter sein? Von wegen! Am nächsten Morgen strahlte die Sonne förmlich über Tokio. Ein paar Cirruswolken waren das einzige, was am Himmel hing. Wenigstens der Fußgängerbericht hatte für den restlichen Tag seine Vorhersage dann verbessert.
Drei-Stunden-Vorhersage WetterOnline: Sieht schon besser aus als gestern
Vorhersage der Japan Meteorologcal Agency für die Präfektur Tokio
Die Sonne lacht über Japans Hauptstadt
Nach ca. zwei Stunden Zugfahrt sind wir dann am Bahnhof Fujioka angekommen, wo mich ein Shuttledienst mit zum Flugplatz Itakura genommen hat, welcher extra Vereinsmitglieder des Japan Soaring Clubs vom Bahnhof abholt. Als ich dort ankam wurde die Halle schon fleißig ausgeräumt und die Flugzeuge über den Deich auf den Flugplatz gezogen.
Ja richtig, die Halle und der Flugplatz werden beide durch einen Deich getrennt, da der Platz auf dem Grund eines Flusses liegt, der direkt neben der Piste langfließt. Um die Flugzeuge über den Wall zu bekommen, werden die Maschinen mit einer speziellen Kullerkonstruktion Marke Eigenbau mit dem Lepo über den Deich gezogen. Dabei muss man sehr vorsichtig sein und vor allem bei den Flächen aufpassen, wobei ein Flächenhalter bei diesem Manöver nicht ausreichend ist.
Der Twin, wie er über den Deich gezogen wird
Danach folgt die Vereins-Dimona
…und bald darauf ist die Schleppmaschine an der Reihe
Auf der anderen Seite des Deiches: Der Flugplatz
Vorerst empfing mich nicht Herr Suzuki dort, sondern Herr Toku. Er ist ebenso Fluglehrer und stolzer Inhaber eines Arcus T. Mit ihm hatte ich dann auch die Ehre, im Vereins-Twin Platz zu nehmen. Aber dazu später.
Herr Toku erzählte mir, dass er vor vielen Jahren einmal Deutschland besucht hatte und zusammen mit einem Bekannten in der Ecke Ulm eine Strecke von 300 Kilometern geflogen ist.
Unten am Start hatte ich dann das Vergnügen, den Twin mitchecken zu dürfen. Herr Toku verwies mich an seinen Vereinskameraden, der nur Japanisch sprach. „His english skills are not the best, but you can talk in body language”. Aber auch das Checken der Flugzeuge unterscheidet sich, wie erwartet, kaum von den Verfahren wie hier in Deutschland, was die Voraussetzung, zwingend dieselbe Sprache zu sprechen zu können, entfallen ließ. Lustig war es dennoch für beide.
Als wir fertig waren, traf auch Herr Suzuki ein. Nach kurzer Vorstellung und der Übergabe des Visitor-Ausweises an mich begann Herr Suzuki, oder auch „Captain Suzuki“ genannt, mit dem Briefing, von dem ich leider nichts verstanden und mitbekommen habe, außer den Wetterkarten und dass alle nötigen Vehikel und Flugzeuge fertig für den Betrieb waren. Sein Spitzname kommt übrigens daher zu Stande, weil er früher Kapitän auf der Boeing 747-400 bei Japan Airlines war, wie er mir später erzählt. Ich durfte ihn jedoch schlichtweg Suzuki nennen. Auch er hat schon mehrmals auf seinen Berufsflügen Deutschland besucht. Das scheint generell ein beliebtes Ziel der Japaner zu sein.
Zu Trinken gab es am Start japanischen grünen Tee und später typisch japanisches Essen, bei dem ich später bereut habe, dass ich mich nicht mit bei der Essensorganisation eingeklinkt habe.
Nach dem Briefing wurde dann die Startreihenfolge auf dem Vereins-Doppelsitzer ausgemacht. Eigentlich wurde ein höherer Ansturm auf den Twin erwartet, da der zweite Vereins-Twin seit dem Wochenende davor in der Wartung war. Der Grund dafür liegt darin, daß dieser bei einer Außenlandung am Sonntag davor stark beschädigt wurde. Zum Glück wurde niemand verletzt. Die Japaner haben es im Nachhinein gelassen genommen und ihre Scherze darüber gemacht. Die Außenlandesituation ist in Japan generell schwierig, wie mir schon auf der Hinfahrt auffiel. Die Felder sind dort sehr klein und kurz, sodass Außenlanden dort fast nicht möglich ist.
Nichtsdestotrotz war ich als zweiter an der Reihe. Davor nutze ich die Zeit, mich mit den Anflugverfahren dort vertraut zu machen und mich ein wenig mit Herrn Toku zu unterhalten.
Eine Person kam mir jedoch nicht ganz unbekannt vor. Es war Takashi Sakai, Kunstflugpilot der Nationalmannschaft Japans und eingeteilter Schlepppilot für den Tag. Ihn kenne ich von der Kunstflug-WM in Tschechien letztes Jahr. Cool, so schnell kann man sich wieder sehen.
Der Start
Briefing vor Beginn des Flugbetriebes. Foto: Suzuki
Die Startbelegung und Tafel für alles
Nachdem der Twin von seinem ersten Flug gelandet war, bin ich dann an der Reihe gewesen. Eigentlich sollte ich mit Herrn Suzuki fliegen, der jedoch schon im privaten Duo eines Vereinsmitgliedes Platz genommen hatte. Also durfte ich mit Herrn Toku fliegen, der extra dafür seinen eigentlichen Job als Startleiter gewechselt hat.
Der Flugplatz bietet ausschließlich F-Schlepp als Startmöglichkeit an. Geschleppt wird dort mit einer Aviat A-1 Huskey. Den Start hat vorerst Herr Toku übernommen. In ungefähr 300 Fuß durfte ich dann übernehmen. In einer Höhe von 2000 Fuß haben wir dann ausgeklinkt und uns auf die Suche nach Thermik begeben. Das Wetter war schließlich, wie man bereits aus dem Wetterbericht schätzen konnte, nicht so, wie es zu dieser Jahreszeit sein sollte. Es kam teilweise zu Überentwicklungen, was zu einer geringeren Sonneneinstrahlung führte. Dennoch konnten wir uns erst mit 0,5m/s integriertem Steigen in einer Höhe von etwa 1800 Fuß halten. Auch Herr Toku meinte, es sei einer der schlechteren Tage gewesen. Den Samstag davor hatten sie eine Basis von 3000 Metern und Steigwerte von 4-5m/s integriert.
Die Landschaft dort ist sehr trocken und relativ flach. Ein paar Kilometer nördlich des Platzes beginnen die „Japanischen Alpen“, in denen es sich, wenn es das Wetter zulässt, gut Welle fliegen lässt. Jedoch muss man für alle Flüge, die die Flugplatzumgebung von fünf nautischen Meilen verlassen, einen Flugplan aufgeben. Dies hatten wir für den Tag jedoch nicht gemacht, was uns folglich in unseren Freiheiten einschränkte.
Dazu wäre es aber sowieso nicht gekommen. Nach 20 Minuten sind wir dann wieder auf dem Flugplatz in Itakura gelandet. Es war anders, als ich es mir vorgestellt hatte, aber es war auf jeden Fall ein cooles Erlebnis.
Am Boden wartete schon Herr Suzuki auf uns, der es förmlich nicht abwarten konnte, ein Foto von uns zu machen.
Der ganze Spaß hatte mich schließlich 8000 Yen gekostet, etwa 66 Euro. Das war eigentlich relativ günstig, normalerweise hätte mich das ca. 110 Euro gekostet, aber dank Suzukis special discount wurde es etwas günstiger für mich. Herr Suzuki lieferte mich dann persönlich wieder bei meiner Mutter und meiner Schwester ab, die beide in einem Restaurant in Itakura auf mich warteten. Dort ließ ich dann die ganzen Eindrücke des Tages bei einer leckeren Portion Tempura mit Nudeln auf mich wirken und wir fuhren schließlich wieder zurück ins Hotel nach Tokio. Zum Schluss überreichte ich Herrn Suzuki noch einen Aufkleber unseres Vereinslogos als kleines Gastgeschenk, welches dort dankend angenommen wurde.
Abends durfte ich dann meinen ersten Flugplatz im Ausland und generell auf einem anderen Kontinent in meinem Flugbuch verzeichnen. Auch wenn es ein relativ kurzer Flug war, werde ich diese Erfahrung und die ganzen Eindrücke nicht so schnell vergessen. Es war ein interessanter und aufregender Tag, obwohl das meiste im Flugbetrieb ähnlich wie hier in Deutschland ablief. Aber trotzdem war es cool und ich hoffe, dass irgendwann wieder den Japan Soaring Club besuchen werde, dann aber vielleicht auch wenn das Wetter ein klein wenig besser ist.
Das erste Mal im Segelflugzeug in Japan
Herr Toku und ich nach der Landung
Ach ja und natürlich konnte ich es nicht sein lassen ein kleines Video zu schneiden. Es zeigt nicht nur die fliegerischen Eindrücke Japans, sondern auch die des Stadtleben Tokios und der ostasiatischen Kultur.
Viel Spaß beim Anschauen und danke für eure Aufmerksamkeit ;-)