Im Wetter-Zickzack über Norddeutschland
Wandersegelflug ist bei uns im Verein inzwischen etabliert. Vorreiter Oliver wollte es auch dieses Jahr wieder wissen und hat Anfang Mai ein paar Tage Urlaub genommen, um wieder eine kleine Tour durch Deutschland mit seiner DG-400 zu unternehmen. Naja - wie schon traditionell ist das Wetter nicht einfach, aber man mogelt sich so durch.
Über der Weser
Im Zickzack hat ihn der Weg durch ein von Höhentrögen gespägtes Land geführt und so sind am Ende doch sechs Flugtage herumgekommen. Wie immer hat Oliver davon einen Bericht verfasst für alle die, die die Reise nachlesen und selbst mal von einer kleinen Spritztour träumen wollen...
Im Wetter-Zickzack über Norddeutschland
Süddeutschland lag unter einem dicken Regengebiet, sodass mich mein diesjähriger Wandersegelflug im wesentlichen über Norddeutschland führte. Doch auch hier war die Wetterlage alles andere als streckenflugfreundlich, und ich konnte oft erst beim morgendlichen Frühstück mein Tagesziel auswählen.
Mit den Wetterberichten war es dieses Mal so eine Sache. Ich nutze drei verschiedene Quellen: "GFS" vom amerikanischen National Weather Service, "Arpege" von Meteo France und "ICON" vom Deutschen Wetterdienst. Und dann gibt es natürlich noch die Segelflug-Wetterberichte wie flugwetter.de oder RASP sowie die Fußgänger-Wetterberichte wie WetterOnline, die aber auch nur auf den etablierten Simulationen aufbauen. Keines der Modelle konnte für Norddeutschland eine einigermaßen korrekte 3-Tages-Vorhersage abgeben. Sie kamen alle nicht mit dem "Höhentrog" zurecht. Erst an meinen letzten zwei Reisetagen, als sich ein Hochdruckgebiet über Skandinavien festsetzte, kamen sie wieder einigermaßen klar. Aber bei solchen Wetterlagen braucht man dann auch keinen Wetterbericht mehr, da reicht der Blick aus dem Fenster. Entscheidend war die Frage, wo es regnen würde. Denn neben dem Dauerregen südlich der Achse Dortmund-Leipzig zogen auch immer wieder Schauergebiete mit einer Nord-Süd-Ausrichtung von Westen oder Osten kommend über Norddeutschland hinweg. Bei "ICON" verschwanden diese Schauergebiete auf wunderliche Weise, je näher der jeweilige Flugtag kam. "GFS" blieb hingegen seiner Fehleinschätzung treu und zeigte standhaft für den selben Tag weiterhin Regen an, auch wenn tatsächlich gar kein Tropfen fallen sollte. Ich hatte also keine Ahnung, wohin es mich in diesem Jahr führen würde. Entscheidend für meine Streckenplanung war nicht die Frage, wohin es am selben Tag am weitesten ginge, sondern allein die Frage, von wo ich am darauf folgenden Tag sicher wieder wegkommen konnte. Übernachtungen wurden erst im letzten Moment auf booking.com reserviert und nur in Hotels, die eine spätestmögliche kostenlose Stornierung erlaubten. Fest gebucht war nur der Urlaub. Und der wollte zum Fliegen genutzt werden. Also ging es am Samstag, den 4. Mai los.
Flugzeug eingeräumt - fertig für eine Woche Urlaub :-)
Die erste Etappe diente der Eingewöhnung, und es waren kurzweilige 130 km von Wilsche nach Neustadt-Glewe. Dort haben sie einen großen Flugplatz, auf dem scheinbar alles in der Luft ist, was fliegen kann. Zwischen kreisenden Segelflugzeugen fallen Fallschirmspringer vom Himmel, während kurz darauf ein Gleitschirm an der Winde startet und ein Heli zum Tanken vorbeikommt. Wegen meines kurzen Fluges hatte ich genügend Zeit, dem lustigen Treiben bei einer Cola und einem ausgezeichneten Salat auf der Terrasse der Flugplatzgastronomie zuzuschauen, die sich bezeichnenderweise "Zum steifen Nacken" nennt. Allein wegen des Restaurants würde es sich lohnen, später einmal wiederzukommen. Neustadt-Glewe hat touristisch nicht viel zu bieten. Es gibt dort eine Burg und ein Schloss. Und in dem Schloss ist ein Hotel mit Sauna. Und dort hatte ich mein Zimmer gebucht.
Elbquerung bei Hitzacker
Am Morgen des nächsten Tages regnete es. Daher blieb das Flugzeug erst einmal in seinen Schlafanzügen...
Regen am zweiten Tag am Morgen
Nachdem die dunklen Wolken durchgezogen waren, gab es einen Streifen fliegbaren Wetters Richtung Süden. Aber es wehte ein starker Westwind, der es nicht einfach machte, die Bärte trotz gelegentlicher guter Steigwerte zu zentrieren. Meine Route sollte über Stendal hinweg nach Dessau gehen. Mehr erlaubte das Wetterfenster des nächsten Tages nicht. Vielleicht war ich etwas zu früh gestartet, jedenfalls brauchte ich anfangs ein paar Mal den Motor, erst ab Stendal wurde es besser. Und dann machte ich den flugtaktischen Fehler, mich Dessau östlich der Elbe zu nähern. Dabei gab es wegen des starken Westwindes im Lee der Elbe einen breiten thermiklosen Streifen. Eigentlich hätte ich es besser wissen müssen. Aber so brauchte ich vor Dessau noch einmal motorische Unterstützung.
Gute Wetteroptik in Dessau kurz vor der Landung.
Für Montag gab es anfangs drei Alternativen. Ein Wetterbericht sagte bestes Flugwetter in einem Korridor vom Havelland bis ins Emsland voraus. Der zweite Wetterbericht vermutete aufkommenden Regen über der Lüneburger Heide. Und der dritte Wetterbericht meinte, Richtung Oberlausitz ginge es am besten. Erst zum Frühstück zeigten die neusten Wetterdaten, dass Cottbus keine Option war. Also entschied ich mich für Damme ganz im Westen. Und falls es doch auf dem Weg dorthin regnen sollte, könnte ich die Tour immer noch in Wilsche abbrechen. Doch der Tag entwickelte sich besser als gedacht. Lediglich aus Dessau heraus musste ich etwas länger motoren, um unter der Abschirmung herauszukommen, die vom südlich liegenden Regengebiet bis Magdeburg reichte. Danach lag die Basis bei 1500 Metern. Leider war es über den ohnehin thermisch anspruchsvollen Moorgebieten im westlichen Niedersachsen erneut abgeschirmt, sodass ich kurz hinter Nienburg den Rappel ausfahren musste, um meine Anflughöhe auf Damme zu erreichen.
Weserquerung bei Nienburg
Damme fasziniert durch seine Symbiose aus Tradition und Moderne. Auf der einen Seite gibt es namhafte Landtechnik-Hersteller und Automobil-Zulieferer. Auf der anderen Seite findet man inmitten eines Wohngebietes immer noch den landwirtschaftlichen Betrieb mit Kühen im Stall und Pferden auf der Koppel. Als ich vor dem Hotel aus dem Auto stieg empfing mich echte Landluft. Das Lindenhof Hotel Tepe war ein echtes Highlight, ein topmodernes Business- und Tagungshotel mit herrlich großen Zimmern und einem ausgezeichnetem Service. Damme ist ziemlich katholisch mit seiner kathedralengroßen Pfarrkirche St. Viktor im Stadtzentrum und dem Wegekreuz an der Straße vor dem Hotel. Natürlich lag dann auch ein Bibel auf dem Hotel-Nachttisch. Doch unten in der Nachttischablage war ein Handtuch. Und das in einem Hotel, das überwiegend von Geschäftsreisenden besucht wird. Wieder so eine Symbiose.
Damme mit dem Dümmer genannten See im Hintergrund
Heinrich, der Chef des Verkehrslandeplatz Damme, hat sein Wohnhaus direkt neben der Abstellwiese. Als ich am nächsten Morgen die Flächenbezüge verpackte, kam er gleich heraus um zu helfen. Mit seinem Mini-Traktor zogen wir die DG400 erst zur Tankstelle, danach zum Start der Piste 10. Dort konnte ich ganz in Ruhe einsteigen, den Motor starten und abheben. Landewillige Echo-Flieger durften so lange warten. Thermisch ging an dem Tag gar nichts. Das war schon vorher klar. Großflächige Abschirmungen und dicke Wolken ließen wenig Sonnenlicht bis zum Boden. Für die 65 km nach Bielefeld musste ich fünf Mal den Motor anschmeißen.
Angekommen in Bielefeld - Motor sei Dank
Der Mittwoch wartete mit bestem Flugwetter Richtung Süden bis zum Taunus. Weiter östlich nach Thüringen und Bayern war es wenig einladend, die Regengebiete der Vortage zeigten ihre Nachwirkungen. Doch bevor ich abheben konnte, musste ich den tags zuvor aufgebrauchten Kraftstoff auffüllen. Sicher ist sicher. Eigentlich war die ganze Zeit während der Flugvorbereitungen nichts los an der Tankstelle. Doch als ich mein Segelflugzeug vor die Zapfe ziehen wollte, kamen plötzlich zwei Motorflieger angerollt und quetschten sich einfach vor mich. Ganz offenbar konnten sie sich nicht vorstellen, was ein Segelflugzeug an einer Tankstelle zu suchen hatte. Einem der Piloten war sein Versehen so unangenehm, dass er mir daraufhin sofort beim Tanken half. Ich hielt die Zapfe, seine Frau führte den Schlauch und er las die Tankanzeige ab, damit ich exakt 5 Liter einfüllen konnte. Danach übernahm er die Zapfe und befüllte seinen Flieger. Als ich zum Abrechnen in den Tower ging, konnte der Flugleiter mein Tanken nicht finden. Mein helfender Pilot hatte einfach alles bei sich abgerechnet. Lieber Pilot der "Lima X-Ray", falls Du das hier lesen solltest, bedanke ich mich ganz herzlich!
In den Weiten des Sauerlandes
Leider startete ich zu früh. Die Wolken sahen bereits ganz vielversprechend aus, aber die Basis über der Münsterländer Tieflandsbucht zwischen Teutoburger Wald und dem Sauerland lag nur bei 500 Metern. Das war vom Bielefelder Flugplatz nicht so richtig zu erkennen gewesen. Über dem Möhnsee beim Einstieg in das Sauerland waren die Wolken noch einmal besonders dicht und tief, sodass ich kurz vor der Entscheidung stand, zum Flugplatz in Bad Sassendorf abzudrehen, um auf bessere Thermik zu hoffen. Doch plötzlich öffnete sich der Himmel hinter der Wolkenwand. Die Basis stieg schlagartig um 1000 Meter an, und ich hatte einen wunderbaren Flug über das Sauerland bis nach Breitscheid im Westerwald. Dort erwartete mich nach der Landung mein Hotel unmittelbar am Platz, das ganz neu gebaute und moderne "Boardinghouse". Nachmittags auf dem Balkon und abends auf dem Bett eines gemütlichen Hotelzimmers zu sitzen und auf sein davor abgestelltes Segelflugzeug zu schauen, kommt nicht häufig vor. Das hat was. Leider bot das Hotel kein Frühstück an, aber der Flugleiter organisierte mir ein Fahrrad, sodass ich in den Ort herunterfahren konnte, um mich im Lebensmittelladen einzudecken. Das Abendessen im Restaurant nebenan war hingegen gesichert. Breitscheid ist ein echter Geheimtipp für flugwandernde Piloten.
Ein Bett im Vorfeld... oder wie ging der Song?
Am Donnerstag, Himmelfahrt, ging es dann zurück nach Wilsche. Der DWD sagte ganz richtig bestes Wetter voraus. Auch bei skyltdirect.se war für ganz Norddeutschland eine dunkelrot-violette potentielle Flugdistanz (PFD) mit 500 und mehr Kilometern angekündigt. Einzig bei blipmaps.nl wollte man die Segelflieger aus welchen Gründen auch immer vom Streckenflug abhalten. Deren PFD lag auf meinem Flugweg zwischen Weiß und Hellblau, also irgendwo zwischen nichts und 300 km. Es wurde ein wunderbarer Flugtag. Lag die Basis anfangs noch bei 1500 Metern, steig sie bald auf 1900 Meter. Einzig über dem nördlichen Leinebergland hatte ich einen Durchsacker, weil die Wolkenstraßen zu Ende gingen, die mich zuvor ab Bad Hersfeld bei leichtem Gegenwind gen Norden getragen hatten. Und über Wilsche musste ich sogar die Bremsklappen ziehen, um Höhe abzubauen. Als wollte die Thermik verhindern, dass meine Reise nun zu Ende ging.
Querab von Bruanschweig - es geht in heimische Gefilde